Samstag, 16. September 2017

Panda

Über seinem Fernseher hängt das Bild eines Pandas.
Es ist das letzte, was er sieht, bevor er das Licht ausmacht und das erste, was er sieht, wenn er morgens aufwacht.
Es ist ein sehr junger Panda, gemalt in bunten Farben, der mit einem kleinen Ball spielt. Er hatte es im Internet gefunden und wusste, dass er es für sein Zimmer in der neuen Wohnung kaufen musste.
Der Panda schaut immer zu ihm, wenn er im Bett liegt.
In seinem Bett ist viel mehr Platz als er braucht, weil er darauf hofft, dass irgendwann noch jemand anderes darin liegen wird. Aber noch ist eine Seite immer leer, menschenleer zumindest. Meist sammelt sich dort der Müll der Tage an, in denen er es kaum schafft, das Bett zu verlassen.
Doch zwischen dem Müll, aber immer sorgfältig vor Verschmutzung beschützt, liegen und sitzen die Freunde des bunten Pandas. Inzwischen sind es vier. Vier Pandas in verschiedenen Größen und Formen.
Natürlich sind es keine echten Tiere, nein, es sind Kuscheltiere.
Es gibt noch einen fünften Panda, den hat allerdings der einzige Mensch, der ihm wirklich viel bedeutet. Er hatte gehofft, dass der Panda, der erste den er je bekommen hatte, diesem Menschen helfen könnte. Und vielleicht hatte es sogar funktioniert. Zumindest gibt es Panda und Mensch noch und beide sind ihm immer noch sehr wichtig.
Er ist 21 und hat mehr Kuscheltiere als so manches Kind, aber das stört ihn nicht. Damals in der Klinik, da hatten einige zwar über seinen Panda gelacht, aber auch das hat er verkraftet.
Seine wenigen Freunde wissen alle, wie sehr er Pandas mag. Die weiblichen unter ihnen finden es im Allgemeinen recht niedlich. Einige nennen ihn sogar Panda.
Doch kaum jemand weiß, was all die Pandas eigentlich bedeuten.
Kaum jemand weiß von den Nächten, in denen er nichts anderes hatte als ein Pandakuscheltier, um sich daran festzuhalten. Kaum jemand weiß, wie viel Leid seine Pandas schon ertragen mussten und wie er sich immer dazu gezwungen hat, sie wegzudrehen, wenn er sich wieder einmal selbst verletzte.
Seit er erfahren hatte, wie echte Pandas sich verhalten, wusste er, dass er sich mit diesen Tieren identifizieren kann.
Fühlt ein Panda sich bedroht, zieht er sich zurück, rollt sich zusammen und hält sich die Pfoten vor die Augen. Erst, wenn es wirklich nicht mehr anders geht, fletscht er seine Zähne und greift an.
Damit konnte er sich identifizieren und hatte sein Lieblingstier gefunden.

Seine Seele ist für ihn eine große leuchtende Kugel.
Und sie wird von einem großen Panda beschützt.
Der Panda hat sie in seinem Maul und oft ruht der Panda und schläft, die Seele unantastbar hinter seinen Zähnen.
Doch immer wieder kommt die Dunkelheit und umgibt Panda und Seele.
Böse Wesen versuchen sich die Seele zu holen und der Panda fängt an zu kämpfen. Er kämpft und kämpft, bis aufs Blut, doch manchmal reicht es nicht aus.
Manchmal entreißt ihm die Dunkelheit die Seele und dann ist sie schutzlos allem ausgeliefert, was das Dunkle ihr antut.
Irgendwann ziehen die dunklen Wesen sich wieder zurück, wenn ihr Werk getan ist.
Immer dann schleppt der Panda sich zur verletzten Seele, nimmt sie sanft in seine beiden Pfoten und dann wieder in sein Maul. Dann kriecht er zurück zu seinem Platz und wartet. Er wartet bis seine Wunden wieder verheilen und er wieder genug Kraft hat, die Seele zu verteidigen.

Kaum jemand weiß davon; sie wissen nur, dass er Pandas mag. Sie wissen nicht, dass er versucht dem Panda in seinem Inneren Kraft zu geben, indem er sich mit anderen Pandas umgibt. Sie wissen nicht, dass die dunklen Wesen ihn immer wieder angreifen und er deswegen Angst vor dem Schlafen und der Dunkelheit hat.
Kaum jemand weiß, wie oft er nur hilflos zusehen kann, wie der Panda um seine Seele kämpft und wie oft er darin versagt den Panda zu unterstützen.
Kaum jemand weiß all das und kaum jemand würde es verstehen.

Aber sie wissen, dass er Pandas mag.
Und manchmal machen sie sich lustig über ihn.
Aber das stört ihn nicht.

08.07.2017